Wenn Gefühle auf Distanz gehen: Wege zu mehr Verbundenheit
Sie oder er zieht sich zurück. Wieder dieser Moment, in dem die Nähe schwindet. Vielleicht war es nur eine Kleinigkeit – ein Kommentar, ein Blick, ein unausgesprochener Wunsch. Und doch steht nun etwas zwischen uns: ein Gefühl, das nicht richtig greifbar ist. Rückzug, Wut, Frustration. Warum passiert das immer wieder?
In jeder Beziehung spielen Emotionen eine zentrale Rolle. Sie schenken Nähe, Verbundenheit und können tiefe, authentische Verbindungen schaffen. Doch manchmal werden sie zu einer Barriere. Häufig sind es nicht die äußeren Ereignisse selbst, sondern unsere emotionalen Reaktionen darauf, die Spannung in die Beziehung bringen. Wenn Emotionen unverstanden bleiben oder nicht benannt werden, können sie Missverständnisse und Distanz erzeugen. Ein bewusster Umgang mit ihnen hilft, Konflikte zu entschärfen und Beziehungen zu vertiefen.
Emotionen verstehen – der Schlüssel zu mehr Verbundenheit
Gefühle entstehen nicht zufällig. Sie sind die Antwort auf unsere inneren Gedanken, Wünsche und Erwartungen. Wenn beispielsweise der Wunsch nach Nähe auf den Widerstand des Gegenübers trifft, können Frustration, Enttäuschung oder Wut entstehen.
Diese Emotionen sind nicht „falsch“ – sie weisen auf etwas hin. Doch oft werden sie nicht als innere Signale erkannt, sondern ungefiltert nach außen getragen oder unterdrückt.
- Wut kann ein Ausdruck davon sein, dass eine Grenze überschritten wurde oder ein Bedürfnis unerfüllt bleibt.
- Rückzug kann Schutz bedeuten – ein Versuch, sich nicht verletzlich zu zeigen.
- Traurigkeit kann darauf hinweisen, dass eine tiefe Sehnsucht nach Verbindung besteht.
Das Erkennen dieser verborgenen Emotionen ist der erste Schritt, um Konflikte bewusster zu verstehen und mit mehr Klarheit zu kommunizieren.
Wenn Emotionen das Miteinander belasten
Viele reagieren auf emotionale Auslöser mit Abwehr, weil sie die Intensität der Gefühle überfordert. Der erste Impuls kann sein, der anderen Person die Schuld zu geben oder sich in sich selbst zurückzuziehen.
Es lohnt sich, innezuhalten und sich selbst zu fragen:
- Warum fühle ich mich gerade so?
- Welche Gedanken stehen hinter diesem Gefühl?
- Was wünsche ich mir in dieser Situation?
Diese Selbstreflexion öffnet den Weg für eine Kommunikation, die nicht aus Vorwürfen besteht, sondern von echtem Verstehen geprägt ist.
Gefühle teilen, ohne zu verletzen
Ein bewusster Umgang mit Emotionen bedeutet nicht, alle Gefühle ungefiltert auszusprechen, sondern sie so zu formulieren, dass sie verständlich sind. Ich-Botschaften helfen dabei:
Anstatt zu sagen:
„Du hörst mir nie zu!“
lieber:
„Ich fühle mich nicht gehört, wenn ich von meinem Tag erzähle.“
Diese Formulierung lädt zu einem offenen Gespräch ein, ohne dass sich jemand angegriffen fühlt.
Mit schwierigen Emotionen umgehen – statt sie zu vermeiden
Es ist normal, dass Emotionen wie Wut, Enttäuschung oder Angst in einer Beziehung auftauchen. Entscheidend ist, wie wir mit ihnen umgehen:
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Wahrnehmen: Gefühle sind keine Feinde, sondern Hinweise. Sie bewusst zuzulassen, anstatt sie zu verdrängen, kann helfen, ihre Botschaft zu verstehen.
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Pausen einlegen: In hitzigen Momenten kann es hilfreich sein, sich kurz zurückzunehmen. Ein Spaziergang, tiefes Atmen oder ein Moment der Stille helfen, wieder klar zu denken.
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Sich mitteilen: Wenn die Zeit reif ist, über Gefühle zu sprechen, sollte dies einfühlsam und respektvoll geschehen. Es geht nicht darum, Recht zu haben, sondern sich gegenseitig zu verstehen.
Mitgefühl – für sich und die andere Person
Viele Konflikte entstehen nicht durch das, was passiert, sondern durch das, was wir darüber denken. Erwartungen und alte Muster können emotionale Reaktionen auslösen, die aus früheren Erfahrungen stammen.
- Wer gelernt hat, Emotionen für sich zu behalten, neigt zu Rückzug.
- Wer das Gefühl hatte, sich immer beweisen zu müssen, reagiert möglicherweise mit Verteidigung.
Indem wir unsere eigenen Reaktionen besser verstehen, können wir auch mehr Mitgefühl für das Erleben der anderen Person entwickeln. Es geht nicht darum, alles sofort zu „lösen“, sondern erst einmal zuzuhören, ohne zu bewerten.
Praktische Impulse für den Alltag
Emotionale Muster verändern sich nicht über Nacht – doch kleine Schritte können helfen:
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Tägliche Check-ins: Nehmen Sie sich ein paar Minuten am Abend Zeit, um zu reflektieren: Was hat mich heute berührt? Was hat mich frustriert?
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Gemeinsame Rituale: Eine Umarmung nach der Arbeit, ein bewusster Blickkontakt, eine kleine Geste der Wertschätzung – das stärkt die emotionale Verbindung.
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Gefühle präziser benennen: Statt nur „wütend“ zu sagen, hilft es, genauer hinzusehen: Bin ich enttäuscht, verletzt oder hilflos?
Fazit: Gefühle als Brücke zur Verbundenheit
Emotionen können herausfordernd sein – doch sie sind auch der Schlüssel zu mehr Nähe und Verständnis. Wer sich den eigenen Gefühlen stellt und sie bewusst kommuniziert, schafft nicht nur Klarheit für sich selbst, sondern auch für die Beziehung.
Vielleicht ist es ein erster Schritt, die eigenen Emotionen nicht als Hindernis zu sehen, sondern als Einladung – zu mehr Tiefe, Verbundenheit und einem bewussteren Miteinander.
Wenn Sie merken, dass Emotionen in Ihrer Beziehung immer wieder für Missverständnisse oder Distanz sorgen, kann es hilfreich sein, diese gemeinsam anzuschauen. In meiner Systemischen Praxis begleite ich Paare und Einzelpersonen dabei, ihre Gefühle besser zu verstehen und neue Wege im Umgang mit Emotionen zu finden.
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Einmal im Monat teile ich Gedanken darüber, was uns bewegt – und was Beziehungen stärkt.
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Pascale Jenny